Erste Eindrücke von der Projektreise 2016
Nachdem 2015 EBOLA meine Reise verhindert hatte, bin ich seit dem 23.1.2016 wieder in Sierra Leone. In Freetown erinnern noch hier und da große Plakate an die EBOLA-Epidemie. Man spricht hier in den besseren Wohngebieten gar nicht und auf Nachfragen auf der Straße nur noch selten darüber. Bei meiner ersten Überfahrt vor ein paar Tagen mit der Autofähre nach LOKOMASSAMA wurde ich an der Zielstation TAGRIN an einem Checkpoint angehalten. Ein Soldat kam auf mich zu und hielt mir ein pistolenförmiges Temperatur-Messgerät an die Schläfe und zeigte mir dann stolz die 36,7°C. Ich durfte passieren. Zur gleichen Zeit gingen Dutzende Einheimische ohne Check durch die Kontrolle. Auch unser Projektgebiet LOKOMASSAMA war stark von EBOLA betroffen. Es gab viele Tote. Lange Zeit bestand Ausgangssperre und weite Teile waren abgesperrt.
Die Checkpoints waren an den Hauptstraßen errichtet, ein reger Fußgängerverkehr erfolgte jedoch ein paar hundert Meter daneben durch den Busch.
Die ersten paar Tage habe ich genutzt, um mich wieder in Freetown einzurichten und zu organisieren. Dazu gehört insbesondere die Überprüfung unseres Projekt-Kfz, das in den nächsten Wochen mit dem Anhänger unser zuverlässiges Transportmittel sein wird. Wie bisher üblich hatte ich kurz nach meiner Ankunft die drei “seniors” unserer Partnerorganisation CORD zu einer Besprechung nach Freetown kommen lassen.
Ich habe ihnen meine Projekt-Planungen genannt, wir haben darüber diskutiert und die Vorgehensweisen festgelegt. So konnten sie dann schon vor meinem ersten Eintreffen in LOKOMASSAMA bereits einige Vorbereitungen treffen.
Wir werden während meines jetzigen Aufenthalts auf zwei Gebieten tätig:
Brunnenbau und Bau einer Gesundheitsstation.
Brunnenbau: Mit diesem Projekt haben wir 1990 angefangen. Den Brunnen Nr. 1 haben wir in unserem Basisort PETIFU JUNCTION gebaut. Und er funktioniert heute noch. Zwischenzeitlich wurde er mal vertieft und die Pumpe wurde von unserem Pumpenmechaniker repariert. Jedenfalls liefert er bis heute für viele Menschen im Umkreis sauberes und kühles Trinkwasser.
Wir haben inzwischen festgelegt, wo neue Brunnen gebaut und welche bestehenden Brunnen vorrangig “bearbeitet” werden müssen. Als Beispiel nenne ich den Brunnen, den wir im März 2012 auf dem Anwesen des Paramount Chiefs, des einflussreichen traditionellen Führers im Chiefdom LOKOMASSAMA, gebaut hatten. Dort finden regelmäßig Versammlungen und auch lokale Gerichtsverhandlungen statt, zu denen aus dem gesamten Chiefdom die Menschen zusammen kommen. Und die wissen dann bei den vorherrschend hohen Lufttemperaturen das saubere und kühle Trinkwasser aus “unserem” Brunnen zu schätzen.
Bei diesem Brunnen sind inzwischen die Betonringe in den weichen Untergrund abgesackt, sodass die auf dem Brunnendeckel installierte Handpumpe nur in unbequemer Körperhaltung bedient werden kann. Die Reparatur ist “einfach”: die Pumpe und die Steigrohre werden ausgebaut, der Brunnendeckel wird abgehoben, ein zusätzlicher Betonring wird eingesetzt, der Brunnendeckel wird wieder aufgelegt und die Handpumpe und die Steigrohre werden wieder eingebaut.
Bei dieser “einfachen” Reparatur wird “schweres” Gerät eingesetzt, das auf dem Anhänger herantransportiert werden muss: Dreibein, Kettenzug, Leiterschiene und Transportwagen. Unsere lokalen Brunnenbauer (“well diggers”) könnten das auch alleine mit Muskelkraft schaffen, denn sie verfügen über “Bärenkräfte”. Aber aus Sicherheitsgründen verzichte ich auf ihren Muskeleinsatz.
Ab und zu wird fälschlicherweise beschrieben, dass wir Brunnen bohren. Richtig ist, dass sich unsere Jungs per Muskelkraft mit Spitzhacke und Schaufel in den Untergrund hinuntergraben. Die Bodenschichten sind von der Beschaffenheit und auch farblich sehr unterschiedlich. Es beginnt oft bei lockerem grauen Erdreich, geht dann in rotbraunen Lateritboden über, der schon mit der Spitzhacke bearbeitet werden muss. In größeren Tiefen macht dann oft feuchter schwarzer Lehmboden den “well diggers” zu schaffen. Stoßen sie schließlich auf gelben Sand, dann ist das Grundwasser meist bald erreicht.
Unser tiefster Brunnen ist 21 m tief. Die Durchschnittstiefe bei den bisher gegrabenen mehr als 133 Brunnen liegt bei ca. 12 m. Die gelockerten Bodenschichten werden dann in Eimern am dicken Seil aus dem Brunnenschacht geholt. Oft beteiligen sich ganze Schulklassen daran. Für sie ist es eine Abwechslung im sonst tristen Dorfleben und der Unterricht fällt dadurch aus.
Gesundheitsstation: Durch einen glücklichen Zufall wurde eine Dame aus meiner Heimatstadt Köln auf unsere Projektarbeit in Sierra Leone aufmerksam. Bei mehreren Gesprächen und mit aussagekräftigen Fotos konnte ich sie von unserer sinnvollen und nachhaltigen Arbeit überzeugen. Sie war dann bereit, eine komplette Gesundheitsstation – wie wir sie bereits in 6 Dörfern gebaut haben – zu finanzieren.
Im Dorf MAPILA haben wir bereits mit den Arbeiten begonnen. Ohne diesen Auftrag hätten wir den nun eingesetzten 10 zusätzlichen Arbeitern (7 Maurer, 2 Helfer, 1 Dachdecker) keine Verdienstmöglichkeit und damit auch keine finanzielle Unterstützung für die oft große Zahl an zu versorgenden Familienangehörigen geben können.
Verfasser: M. Stede, Projektkoordinator in Sierra Leone